goddamn this noise inside my head
Woher auch!

 
Samstag war nichts los in der Landeshauptstadt. Auf zu neuen Ufern. Erst mal was Schickes anziehen. Schwarzes Hemd, schwarze Hose, rote Krawatte, Alpha Industries-Jacke wegen kalt.

Erste Station, 00:15 Uhr, Gig:
Annehmbare elektronische (mainstreamige) Musik, aber fast niemand da. Menschen ohne Stil und Geschmack. Nach 10 Minuten wieder gegangen.

Zweite Station, 00:30 Uhr, Wohnraumatelier:
Sehr interessanter Laden. Eine gewöhnliche 3-Zimmer-Altbauwohnung, nur Sofas, Stühle, ein Bett und ein paar Tische drin. Im Wohnzimmer ein DJ, in der Küche eine Theke. Nette Idee. An den Wänden Kunst. Auf dem Männerklo 70er Jahre Playmates und die Ausgabe des Palyboy vom Mai 1978 mit toller Opel Manta- und Ford Capri-Werbung.
Wieder kenne ich keine Sau. Will ich auch gar nicht. Setze mich mit einer Afri-Cola auf den Kühlschrank und begucke die Leute, die mich begutachten. Mein Gott, sind hier alle individuell! Frauen mit spitzen Schuhen und komischen Mützen; Kerle in Cordhosen, mit Seitenscheitel, modischen 50er-Jahre-Pseudosportschuhen, Trainingsjacken. So ähnlich sah ich mit 5 auch aus, als meine Mama noch bestimmt hat, was ich anziehe. Ich werde angesehen wie ein Alien. Die anderen sind auch nicht von meinem Planeten. Abflug.

Dritte Station, 01:00 Uhr, Spandau:
Hier bin ich auch zum ersten mal. Kein Eintritt wenigstens. Hier hat das Publikum offensichtlich mehr Kohle (von Mama und Papa), aber auch nicht mehr Geschmack. 3 Etagen, im Keller eine Tanzfläche. Sie ist voll, die Musik ist wiedermal mainstreamig elektronisch. Es laufen eigenartige Club-Remixe von unclubigen Charthits. Wenn nicht so viele ich-steh-hier-nur-weil-es-cool-ist-und-nicht-weil-ich-tanzen-will-Typen auf der Tanzfläche stehen würden, könnten die anderen sich vielleicht auch bewegen. Im Erdgeschoß Leute beguckt und versucht den schlecht angezogensten Menschen des Abend zu küren. Konnte mich aber nicht entscheiden. Fettige Haare und Hosen auf halb acht überall. Dicke Ärsche in Hüfthosen, Frisuren aus dem Baumarkt, Pullunder. Gehen, jetzt!

Vierte Station, 1:45 Uhr, wieder Gig:
Ich bin nur wieder hier, weil ich schon mal Eintritt bezahlt habe. Mittlerweile hat es sich gefüllt. Würde gern eine Frau ansprechen, aber die sehen alle kacke aus. Die meisten sind einfach zu dick, die anderen sind alternativ stillos. Eine Aufgebrezelte mit schulterfreiem Oberteil auf der Tanzfläche. Die Schultern sind allerdings so knochig, daß ich Angst habe mich zu verletzen. Ich stehe so rum und gucke.
Ein Mädel mit Slip in 70er Jahre Muster (Hüfthose!) guckt rüber. Sehr nett, mit ca. 1,60 etwas klein und sowieso viel zu jung. Lächele ausnahmsweise zurück. Für ihr Alter und ihre Größe kann sie ja nix.
Dann sehe ich das Grauen. Zwei angetrunkene, ungeschminkte, sehr kompakte Alternative gucken die ganze Zeit rüber und und tuscheln. Eine kommt. Sie ist auch noch hacke und reibt ihre immense Oberweite an meinem Bauch, denn sie ist kein Hüne.
Heißt du Tobias, Karsten oder Michael? lallt sie mir ins Ohr.
Nein. antworte ich widerwillig aber wahrheitsgemäß und erinnere mich gleich an dies.
Kann nich' sein.
Ich habe keine Lust was zu sagen.
Wie heißt du denn?
Tyler erwidere ich und freue mich schon innerlich.
Ich ernte Ungläubigkeit.
Hat die deine Mutter diesen Namen gegeben oder du selbst?
Ja.
Auf der Gegenseite erkennbare Unzufriedenheit mit der Anwort. Sie sagt etwas, das ich nicht verstehe.
Was?
Gemurmel und Abgang.
Überlege, ob das Mädel mit dem Slip nicht vielleich doch alt genug ist...
Die beiden Trullas tuscheln wieder und gucken zu mir rüber. Die andere kommt.
Fühlst du dich jetzt beobachtet?
Nein. schließlich bin ich hier der Observator.
Es folgen noch einige weitere uninteressante Fragen, die knapp beantwortet sein wollen. Dann habe ich auch sie zermürbt und sie geht.
Ja, sie ist wirklich zu jung...
Alles andere ist scheiße.

Fünfte Station, 2:30 Uhr, wieder Wohnraumatelier:
Hier ist schon fast Feierabend. Kein Eintritt mehr. Weniger Leute. Immer noch Gespräche über Unternehmesgründung um mich herum. Noch ne halbe Stunde rumsitzen und Überlegungen über die eigenen Anspruche anstellen.

3:00 Uhr mit der Erkenntnis zu Hause ankommen, dass man in diesen drei Läden noch nie etwas verpasst hat. Beruhigend.
Ernüchternd: Wieder einige illusionen beraubt, dass es wesentlich mehr Möglichkeiten gäbe, als man sie normalerweise wahrnimmt.

Wenn man morgens aufwacht und sieht am Kopf aus wie immer, hat man nur einen Haarschnitt.

 
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